Geschichte der Passionsspiele in Oberammergau

1633
Am Anfang steht ein Gelübde: Nachdem 1632 im Gefolge des Dreißigjährigen Kriegs die Pest in Oberammergau eingebrochen war, hatte 1633 fast jede zweite Familie einen oder mehrere Tote zu beklagen. Auf dem Beinhof geloben Pestkranke, in jedem zehnten Jahr das Leiden und Sterben des Herrn aufzuführen. Sie errichten auf Pfählen und Stangen ein Christussymbol: Radierung des Oberammergauer Künstlers Hans Schwaighofer zeugen davon.

Am Pfingstfest 1634 führten die Oberammergauer auf einer Bühne, die sie auf dem Friedhof über den frischen Gräbern der Pesttoten aufschlugen, erstmals das „Spiel vom Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn Jesus Christus“ auf.

Ein Großteil der 4.902 Verse entstammt zwei weit älteren Spielen, die schon vor 1634 miteinander verbunden wurden: einem mittelalterlichen Passionsspiel (2. Hälfte 15. Jh.), dessen Handschrift im Augsburger Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra gefunden wurde und der reformatorisch gestalteten, als Druck verbreiteten Passions-"Tragedi" des Augsburger Meistersingers Sebastian Wild von 1566.

5. Spieljahr – nach 1634, 1644, 1654 und 1664; Erweiterung des Passionstextes durch Szenen aus einem Weilheimer Passionsspiel (1600, 1615) von Pfarrer J. Älbl, das wiederum auf eine Vorlage aus der spätmittelalterlichen alemannischen Passionsspiel-Gruppe basiert. Teile der Passion werden erstmals musikalisch gestaltet. Vor dem gotischen Kreuz, das sich heute im Kreuzalter der Pfarrkirche befindet, wurde in der Pestnot 1633 das Passionsspiel gelobt.

6. Spieljahr – Die Gemeinde beschließt den Wechsel zu einem zehnjährigen Aufführungsrythmus.

12. Spieljahr – Textrevision durch den Oberammergauer Pfarrvikar und späteren Rottenbucher Probst Clemens Prasser (1703–1770). Vermutlich 2 Aufführungen.

13. Spieljahr – Der Kritik des rationalistischen Zeitalters, dass die heiligsten Geheimnisse der Christenheit nicht auf die Schaubühne gehören, suchen die Oberammergauer mit einer Neugestaltung zu begegnen. In dem Ettaler Benediktiner Ferdinand Rosner (1709–1778) finden sie einen ebenso sprachgewaltigen wie frommen Theatermann, der in den 8457 Versen seiner „Passio nova“ alle Register des geistlichen Barocktheaters zieht.
Rosners Text findet im bayerischen Raum weite Verbreitung und lässt Oberammergau zum Leitbild für andere Passionsspielorte werden.

Ein gewählter "Passionsausschuss" organisiert die Spiele. Erstmals französische und englische Berichte über das Spiel. (Bild: A. Daisenberger 1799-1883)

32. Spieljahr – 420.000 Zuschauer – In der Neuin-szenierung G. J. Langs (im Bild links) erstmals modernes Regietheater: Schlichtheit und künstlerische Konzentration statt Dekor, Unterordnung aller Gestaltungsmittel unter einen einheitlichen Ausdruckswillen. Georg J. Lang und sein Bruder, der Architekt Raimund Lang, ersetzen die historistische Bühne von 1890 durch eine klare, asketische, monumentale neue Bühne und vergrößern die Zuschauerhalle auf 5.200 Sitzplätze.

39. Spieljahr – 1984 gibt es einen Generationswechsel im Gemeinderat. Es wird beschlossen, die "Daisenberger-Passion" 1990 aufzuführen. Dann überraschend die Wahl des jüngsten Spielleiters aller Zeiten: des 27-jährigen Bildhauers Christian Stückl. Im Vorfeld noch Arbeiten einer Textkommission unter Prof. Rudolf Pesch, die nach Lösungen sucht für weitergehende Anfragen der Antidefamations-League zur Vermeidung von Anti-Judaismen (erarbeitet von Swidler und Sloyan). Die Frage, ob auch verheiratete und ältere Frauen mitspielen dürfen, wird vom Oberlandesgericht positiv beschieden. Die Auseinandersetzungen um Stückls Spielleitung nehmen bisweilen dramatische Züge an, seine Abwahl wird knapp verhindert. (Insgesamt 480.000 Besucher sehen die Passion).

2000
40. Spieljahr – Das Ringen um die richtige Form der Erfüllung des Gelübdes – auf dem traditionellen oder einem zeitgenössischen Weg – geht weiter. Dadurch wird Oberammergau auch die bayerische Gemeinde mit den meisten Bürgerentscheiden:
Nr. 1 (1996): Ob Rosner oder ob Daisenberger die Grundlage für 2000 sein soll, wird erneut zugunsten Daisenbergers entschieden.
Nr. 2 (1997): Aufgrund des Brügerentscheids wird festgelegt, dass wieder Christian Stückl und nicht Dr. Rudolf Zwink, Vertreter des Konservativen Lagers, Spielleiter sein soll.
Nr. 3 (1997): Aus den 3 Vorschlägen zur Gestaltung der Außenseite des Passionstheaters - a) althergebracht mit viel Holz, b) modern mit viel Glas oder c) sachlich-modern - wird der Vorschlag Nr. 3 gewählt und auch realisiert.

1997 wird eine Vereinbarung mit der katholischen Kirche getroffen. Der Kardinal der Erzdiözese München-Freising übernimmt ein Patronat für die Passionsspiele, wenn der von ihm bestimmte Gewährsmann der Spielgestaltung und vor allem der Gestaltung des Textes zustimmt.

Ebenfalls 1997 beauftragt der Gemeinderat Christian Stückl mit der Vorbereitung einer Neuinszenierung, für die Stefan Hageneier Bühnenbild und Kostüme gestalten, Markus Zwink die Musik und Otto Huber den Text bearbeiten soll. Die Ergebnisse der Arbeiten werden etappenweise 1997/1998 dem Gemeinderat, den Ortsgeistlichen und dem, von Kardinal Wetter und Landesbischof von Löwenich beauftragten, Theologen Prof. Dr. Ludwig Mödl vorgestellt und jeweils einstimmig angenommen.